EU-Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zu fairer und nachhaltiger Wirtschaft
Das EU-Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang ihrer Lieferketten. Alles Wissenswerte über die neue Gesetzesdirektive.
Das EU-Parlament hat dem EU-Lieferkettengesetz, der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), zugestimmt. In einer stufenweise Anwendung wird das Gesetz EU-Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden und mindestens 450 Millionen Euro Umsatz verpflichten, menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Risiken in ihren Wertschöpfungsketten zu ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und darüber zu berichten. Die CSDDD geht in einigen Bereichen über das seit Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) hinaus.
Alles über das geplante EU-Gesetz und was dies für Ihr Unternehmen bedeutet, erfahren Sie in diesem Artikel.
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Was ist das EU-Lieferkettengesetz?
Das europäische Lieferkettengesetz verpflichtet Firmen zum sorgfältigen Umgang mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette, inklusive direkten und indirekten Lieferanten sowie dem eigenen Geschäftsbereich.
Die Verpflichtung zur Umsetzung von Klimaplänen wurde dahingehend geändert, dass relevante Maßnahmen ergriffen werden müssen, es aber keine Verpflichtung gibt, bestimmte Ergebnisse zu erzielen.
Das Ziel ist die weltweite Einhaltung von geltenden Menschenrechts-Standards und des Umweltschutzes, um eine faire und nachhaltige globale Wirtschaft sowie eine verantwortungsvolle Unternehmensführung zu fördern. Bei der Vorstellung des Entwurfs sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders: „In der EU sollen nur Unternehmen aktiv sein, welche die Menschenrechte schützen und die Umwelt nicht schädigen.“
Aktueller Stand und nächste Schritte:
Das EU-Parlament hat dem Gesetz am 24. April 2024 zugestimmt.
Im Mai wird erwartet, dass die Richtlinie zunächst im COREPER (15. Mai) sowie anschließend in einem COMPET Meeting (23. Mai) ebenfalls bestätigt wird.
Ende Mai könnte die CSDDD dann veröffentlicht werden und somit der Prozess der nationalen Umsetzung und Implementierung beginnen.
Die Mitgliedstaaten haben ab dann zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen und der Kommission die entsprechenden Texte zu übermitteln.
Im Anschluss treten die nationalen Umsetzungsgesetze gestaffelt nach Unternehmensgröße in Kraft, bis fünf Jahre nach Verabschiedung der festgelegte Anwendungsbereich gilt.
Deutschland muss dann sein seit Januar 2023 geltendes Lieferkettengesetz (LkSG) anpassen.
Wer ist vom EU-Lieferkettengesetz betroffen?
- Europäische Unternehmen mit beschränkter Haftung sowie ab 1.000 Mitarbeitenden und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz weltweit.
- Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sind zwar nicht direkt von dem Gesetz betroffen, aber eventuell indirekt z. B. als Zulieferer von größeren, betroffenen Unternehmen.
Je nach Unternehmensgröße und Umsatz werden unterschiedliche Zeiträume für die Anwendung der Richtlinie gelten, und zwar:
- eine 3-Jahres-Frist für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1500 Mio. EUR;
- eine 4-Jahres-Frist für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und 900 Mio. EUR Umsatz; und
- eine 5-Jahres-Frist für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 450 Mio. EUR.
Was müssen Unternehmen laut Liefergesetz beachten?
Betroffene Firmen müssen ihre unternehmerischen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette und in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt erfüllen. Folgende Schritte müssen sie hierfür umsetzen:
- Ermittlung von tatsächlichen oder etwaigen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt, um dann geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu verhindern, abzuschwächen und zu beheben.
- Die Sorgfaltspflichten müssen in Unternehmenspolitik und Managementsysteme integriert werden.
- Die Firmen müssen Beschwerdeverfahren einrichten und den Zugang zu diesem allen Personen entlang ihrer Lieferkette ermöglichen.
- Sie müssen transparent und öffentlich über die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten informieren inkl. einem Jahresbericht.
- Die Unternehmen sind zur Kontrolle und Überwachung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen verpflichtet.
- Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 150 Millionen müssen in einem Transformationsplan darlegen, wie sie ihren Beitrag zu den Emissionsreduktionszielen des Pariser Klimaabkommens zu leisten gedenken.
- Aufsichts- und Verwaltungsräten werden ebenfalls verpflichtet, auf die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu achten und entsprechende Auskünfte vom Management einzuholen.
Während sich das deutsche Gesetz vor allem auf die eigenen Standorte und die unmittelbaren Lieferanten bezieht (mittelbare Lieferanten anlassbezogen aufgrund substanzieller Kenntnis), geht das europäische Gesetz darüber hinaus: Sowohl vorgelagerte als auch nachgelagerte Tätigkeiten fallen unter das EU-Gesetz. Somit sind auch mittelbare Lieferanten betroffen.
Welche Verstöße fallen unter das Lieferkettengesetz?
Europäische Firmen sind in der Verantwortung sicherzustellen, dass sie selbst, die Nutzer ihrer Produkte sowie ihre Zulieferer auf den Schutz der Menschenrechte, der Biodiversität und der Umwelt achten wie z. B.
- Achtung von grundsätzlichen Arbeitnehmerrechten, wie auch in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgehalten, wie z. B. Vereinigungsfreiheit, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, Gleichheit des Entgelts, Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, etc.
- Achtung von Menschenrechten, wie z. B. Freiheit und Sicherheit der Person, körperliche Unversehrtheit, Rechtsfähigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz, Privatsphäre, räumliche Freiheit, Essen und Grundversorgung sowie Erholung und Freizeit
- Schutz der biologischen Vielfalt und von Ökosystemen
- Schutz von Gewässern und der Luftqualität
- Bekämpfung des Klimawandels
- Umweltverstöße, wie Treibhausgasemissionen, Umweltverschmutzung oder die Zerstörung der biologischen Vielfalt und die Zerstörung von Ökosystemen
Wie unterscheidet sich der europäische Entwurf vom deutschen Lieferkettengesetz?
Deutschland hat am 11. Juni 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet, das seit dem 1. Januar 2023 gilt. Die EU-Kommission geht mit ihrem Entwurf in einigen Punkten darüber hinaus:
- Die EU-Richtlinie bezieht die Sorgfaltspflichten auf die vorgelagerte und die nachgelagerte Lieferkette. Die vorgelagerte Wertschöpfungskette umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens zur Herstellung eines Produktes (z.B. Rohstoffabbau) und zur Erbringung von Dienstleistungen. Unter die nachgelagerte Kette fallen alle Aktivitäten der Geschäftspartner eines Unternehmens hinsichtlich Transports, Lagerung oder Entsorgung. Abnehmer und Verbraucher sind nicht erfasst.
- Die CSDDD umfasst somit die proaktive Überprüfung der gesamten Wertschöpfungskette, während im deutschen Lieferkettengesetzt lediglich unmittelbare Lieferanten proaktiv und mittelbare Lieferanten reaktiv auf Grundlage von begründeten Meldungen geprüft werden.
- Die neue EU-Regelung wird eine zivilrechtliche Haftung für Firmen enthalten: Hierfür wurde eine Frist von mindestens fünf Jahren für die Geltendmachung von Ansprüchen festgelegt. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen können unter bestimmten Bedingungen darüber hinaus Ansprüche geltend machen, Ungeachtet der nationalen Zivilprozessordnung.
Was bedeutet das Gesetz für den Mittelstand?
Kleinere Unternehmen sind häufig indirekt der CSDDD betroffen, denn die Richtlinie sieht vor, dass die direkt erfassten Firmen auch ihre Lieferanten zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten anhalten.
Dies kann aber durchaus eine Chance für den Mittelstand bedeuten, denn KMU, die sich frühzeitig klar positionieren und vorbereiten, profitieren von Wettbewerbsvorteilen gegenüber ihren Konkurrenten. Dennoch erfordert dies neben Ressourcen auch umfassendes Know-How und geeignete technische Lösungen für Analyse, Management und Dokumentation. Gerade für KMU können ganzheitliche Lösungen, die diese Prozesse digital abbilden, bei der Einhaltung der Anforderungen unterstützen.
Um den Mittelstand zu entlasten, beinhaltet die Richtlinie verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung. Beispielsweise sollen im Bedarfsfall die Kosten für die Einhaltung der Anforderungen mit staatlicher Beihilfe subventioniert werden.
Der Weg zu einem europäischen Lieferkettengesetz
Im Dezember 2020 sprachen sich alle 27 Mitgliedsstaaten für eine europäisches Lieferkettenrichtlinie aus.
Im März 2021 nahmen die EU-Abgeordneten einen Vorschlag über die Rechenschafts- und Sorgfaltspflicht von Unternehmen an.
Die EU-Kommission arbeitete einen Entwurf aus und stellte diesen im Februar 2022 vor.
Am 2. Juni 2023 stimmte das Europäische Parlament mehrheitlich für die EU-Lieferkettenrichtlinie.
Am 14. Dezember 2023 hatten sich die EU-Ratspräsidentschaft und das europäische Parlament vorläufig auf die Richtlinie geeinigt. Diese Einigung sollte nur noch von Parlament und Rat bestätigt werden, was als Formsache galt.
Doch es kam anders: Das Gesetzesvorhaben erhielt in der Sitzung des Rats der Europäischen Union Ende Februar 2024 keine Mehrheit.
In einem neuen Anlauf klappte es Mitte März 2024: Die Mehrheit der EU-Länder stimmten für das gemeinsame Gesetzesvorhaben im Europäischen Rat.
Am 24. April 2024 hat das Europäische Parlament dem Gesetz zugestimmt.
Im Mai 2024 werden die förmliche Annahme des Textes durch die EU-Botschafter sowie die politische Zustimmung der EU-Minister erwartet.
Ende Mai wäre die CS3D dann bereit für die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt und der Weg frei für den Prozess der nationalen Umsetzung und Implementierung. Die EU-Staaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Direktive in nationales Recht umsetzen.
Deutschland hat bereits 2021 ein Lieferkettengesetz verabschiedet. Die Bundesregierung müsste dieses dann nachträglich an die Anforderungen der Richtlinie anpassen. Das deutsche Lieferkettensorgpfaltspflichtengesetz gilt seit dem 1. Januar 2023.
Kritik am EU-Lieferkettengesetz: Geht das Gesetz zu weit oder nicht weit genug?
Eine generelle Kritik der Befürworter einer EU-Lieferkettenrichtlinie lautete, dass die Anforderungen der Richtlinie noch nicht weit genug reichen würden und Lücken aufweise. Ein Kritikpunkt ist beispielsweise, dass sehr viele Unternehmen weit unter den Schwellenwert fallen und damit nicht von der EU-Regelung betroffen sein werden.
Andere wiederum befürchten eine zunehmende Belastung der betroffenen Unternehmen, die in den letzten Jahren bereits unter den Folgen der Corona-Pandemie zu leiden hatten, sowie einen enormen Kontroll- und Bürokratieaufwand der aus den Dokumentations- und Berichtspflichten der Direktive entsteht. Eine weitere Sorge aus Industrie- und Wirtschaftskreisen sind internationale Wettbewerbsnachteile durch die steigende Regulierung.
Ein großer Vorteil innerhalb der EU ist jedoch, dass die CSDDD für Einheitlichkeit sorgen wird. Denn ohne das EU-Gesetz hätte die Gefahr bestanden, dass jedes Land ähnliche, aber unterschiedliche Rechtsvorschriften in dieser Hinsicht erlassen hätte, wie beispielsweise das LKSG in Deutschland.
Warum brauchen wir ein europäisches Lieferkettengesetz?
Zum Schutz der Menschrechte und der Umwelt, denn weltweit arbeiten Millionen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen; Zwangsarbeit und Kinderarbeit sind an der Tagesordnung. Löhne unter dem Existenzminimum sind keine Seltenheit. Viele Menschen arbeiten unter lebensgefährlichen Sicherheitsbedingungen und leiden lebenslang unter den gesundheitlichen Konsequenzen. Auch die Umwelt leidet an Umweltverstößen entlang der globalen Lieferketten mit verheerenden Folgen für die Zukunft und die Lebensgrundlage von Millionen Menschen.
Und der Trend zu menschenverachtenden Arbeitsverhältnissen wächst nach Beobachtungen des Europäische Zentrums für Menschenrechte. Laut Amnesty International wird dieses Problem vor allem in China immer größer.
- “25 Millionen Menschen verrichten Zwangsarbeit” (Global Estimates of Modern Slavery)
- “79 Millionen Mädchen und Jungen sind von ausbeuterischer Kinderarbeit betroffen” (BMZ)
- “Der Lohnanteil einer Näherin eines Marken-T-Shirts liegt bei 0,6 %” (FairWear)
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