Wie Unternehmen und Investoren in Zeiten von MiFID II zueinander finden
Die EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II bietet die Chance, die Qualität der Investor Relations deutlich anzuheben.
Es ist eine schöne Kindheitserinnerung: die Tüte Süßes vom Büdchen an der Ecke. Weingummi, Lakritz, saure Gurken, von allem ein bisschen – und alles für eine Mark. Die D-Mark gibt es schon lange nicht mehr, und auch die kleinen Kioske sterben in einigen Regionen aus. Doch das Prinzip hat überlebt: Dienstleistungen und Produkte, die für einen festen Preis im Paket angeboten werden.
MiFID II bedeutete das Aus für die Rundum-sorglos-Pakete der Broker und Banken
So ist es auch am Kapitalmarkt, besser gesagt: so war es – bis vor anderthalb Jahren, als MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) in Kraft trat. Die EU-Finanzmarktrichtlinie, die für mehr Transparenz sorgen und die Anleger besser schützen soll, hat hier mittlerweile einen Riegel vorgeschoben.
Jede Dienstleistung und jeder Service von Brokern und Banken muss mittlerweile mit einem Preisschild versehen werden. Das Rundum-sorglos-Paket mit Aktien-Research, Zugang zu Kapitalmarktkonferenzen oder der Organisation und Durchführung von Roadshows darf es so nicht mehr geben.
Roadshows und Konferenzen: Keine Garantie für hochwertige Kontakte
Es müssen daher neue Wege gefunden werden beim Corporate Access, also dem Zugang zum Kapitalmarkt. Allerdings nicht nur von Emittenten, sondern auch von Fonds, Vermögensverwaltern und anderen Investmentgesellschaften. Denn die institutionellen Investoren müssen ebenso wie die Emittenten nun für diese Dienstleistungen bezahlen – und konzentrieren sich vielfach auf Unternehmen aus den großen Indizes. Das geht zulasten der kleineren und mittleren Unternehmen.
Aber auch die Broker und Banken haben die Konsequenzen der veränderten Marktbedingungen deutlich zu spüren bekommen. Aufgrund der geringeren Nachfrage nach Aktien-Research – sowohl von der Buy- als auch von der Sell-Seite – sind bei einigen Research-Häusern bereits die Analysten-Abteilungen neu strukturiert und teilweise verkleinert worden. Außerdem verzeichneten Roadshows an Sekundärstandorten mitunter deutlich schwächere Besucherzahlen als noch in den Vorjahren. Einige mussten aufgrund von mangelndem Interesse bei den Institutionellen sogar abgesagt werden.
Der Trend der Broker geht deshalb dahin, statt Einzel-Roadshows größere, zum Teil branchenfokussierte Konferenzen, zu organisieren, um wirtschaftlicher arbeiten zu können. Allerdings sind auch diese großen Events keine Garantie für die Emittenten, dass sie dort die gewünschten Investoren und Großaktionäre auch tatsächlich antreffen.
Investor Targeting zahlt sich aus
Hier sind die Investor-Relations-Experten gefordert. Sie müssen gegensteuern, um eine entsprechende Wahrnehmung ihres Unternehmens am Kapitalmarkt zu gewährleisten, denn diese ist Voraussetzung für eine faire Unternehmensbewertung und eine ausreichende Liquidität in der Aktie.
Das heißt in der Praxis: Die Emittenten müssen entscheiden, ob sie die Dienstleistungen der Broker weiterhin in Anspruch nehmen und vergüten – oder aber die Investorensuche in die eigene Hand nehmen und aktives „Investor Targeting“ betreiben.
Immer mehr Unternehmen entscheiden sich nun unter MiFID II für diesen Weg und suchen den direkten Kontakt zu den Investoren. Damit verringern sie die Abhängigkeit von den Brokern, deren Kundenlisten zuletzt meistens kürzer geworden sind – und nutzen die Chance, die Qualität ihrer Investorenkontakte deutlich anzuheben.
Aber auch für Emittenten, die nicht vollständig auf die Vermittlung von Brokern verzichten möchten, ist Investor Targeting sinnvoll: Denn es ermöglicht ihnen, die Vermittlungsdienstleistungen zu bewerten (Hat also einer der Kontakte auf der letzten Konferenz tatsächlich zu einem Investment geführt?) – und damit auch die eigenen IR-Aktivitäten zu optimieren.
Auf die richtige Pflege der Investorendatenbank kommt es an
Mit aktivem Investor Targeting wandelt sich zum Teil auch das Rollenverständnis der Investor Relations, denn der IRO ist viel mehr auf den Kontakt zu institutionellen Investoren fokussiert. Doch bevor bestehende und potenzielle Investoren proaktiv angesprochen werden können, müssen sie zunächst identifiziert werden.
In der Regel kennen die IR-Profis natürlich die Aktionärsstruktur des eigenen Unternehmens und haben Veränderungen stets im Blick. Als Basis für eine nachhaltige und strategische IR-Arbeit gilt es aber auch zu wissen, welche Investoren in der Peer Group engagiert sind – idealerweise auch bei den Wettbewerbern im Ausland, um aussagekräftige Marktanalysen durchführen zu können. Und vor allem um die Frage zu beantworten, welche Fonds oder Vermögensverwalter auch Interesse an den eigenen Aktien haben könnten.
Bei der Auswahl einer Investorendatenbank steht also die Qualität der Daten im Vordergrund. Hier sind vor allem Aktualität und Internationalität wichtig. Auch eine übersichtliche Darstellung der Informationen sollte gegeben sein. Doch damit nicht genug: diese externen Daten müssen vom IRO auch kontinuierlich gepflegt und ergänzt werden (u. a. Meeting-Protokolle, Gesprächsnotizen), dann ermöglichen diese Datensätze eine zielgenau Investorenansprache.
Investorenansprache: Unabhängig, effizient und zielgenau
Aktives Investor Targeting ist eine effiziente Möglichkeit für IR-Manager, um bei der Kommunikation mit den Investoren unabhängiger von Brokern und Banken zu sein. Das erfordert viel Arbeit. Allerdings lassen sich viele Prozesse der Analyse, der Auswertung der Aktionärsprofile und der Kommunikation automatisieren. Das hebt die Qualität der Ergebnisse und schont die begrenzten IR-Ressourcen ebenso wie auch die wertvolle Vorstandszeit. Diese wird so nur den Investoren gewidmet, die wirklich in das eigene Unternehmen investieren wollen, können und dürfen.